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Hobbybäcker Dr. Martin mischte als Praktikant bei den Profis mit

01.11.2023
HARGESHEIM (red). Seit der Kindheit ist CDU-Landtagsabgeordneter Dr. Helmut Martin (59) begeisterter Hobbybäcker. Also ein guter Einstieg ins Thema Bäckerei. Der Jurist und frühere Bänker, amtierender stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, machte sich in seiner Eigenschaft als wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher in der Hargesheimer Innungs-Bäckerei Gmeiner praktisch und mithelfend ein Bild vom Ablauf einer Backschicht.

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Wie aus sorgfältig vorbereiteten und bemessenen Zutaten ein Dutzend Sorten Brot und ebenso viele Sorten Brötchen, verschiedene Kuchenspezialitäten, Brezel, süße und herzhafte Teilchen in professionellem Zeitablauf und ineinandergreifend entstehen, wollte Martin in der Praxis erleben. Sein Fazit nach sechseinhalbstündiger Arbeit in der Backstube ist von viel Respekt geprägt. Martin sagt: „Ich habe eine Menge gelernt. Nicht nur über die Abläufe in einer Backstube, sondern auch über die Lage der kleinen, handwerklich produzierenden Betriebe im schwieriger werdenden Marktumfeld.“ Tradition, viel Erfahrung und Kenntnis gehören dazu, in Perfektion und in hoher Geschwindigkeit all das herzustellen, was der Kunde dann morgens ab 6 Uhr in großer Auswahl schön präsentiert im Laden erwerben kann.

Die Idee des „Backpraktikums“ entstand 2022 bei einem Austausch des Abgeordneten mit Bäckern und Metzgern und der Kreis-Handwerkerschaft zum Thema „Energiepreisexplosion“, der bei Richard und Rosemarie Gmeiner stattfand. Sie sagten sofort zu, als Martin für ein Praktikum anfragte. Der Landtagsabgeordnete kennt sich aus mit der Kreis-Handwerkerschaft, war lange Jahre Vorsitzender der Schiedsstelle im Kfz-Handwerk und unterrichtete einst bei der HwK als Referent in Meisterkursen Recht und Sozialwesen. Die Praxis erleben, damit man nicht nur vom grünen (politischen) Tisch aus mitreden will: Das ist Martin ein Anliegen. In der Landwirtschaft, einer Kita, einem mobilen Pflegedienst und bei der Polizei hat er schon Praktika absolviert und plant weitere.

In der Backstube nahmen ihn Bäckermeister Lutz Weber (seit 1976 im Beruf und seit 40 Jahren Meister) und Geselle Oliver Schmidt (2000 hat er die Ausbildung begonnen) in ihre Mitte und lernten ihn an beim Teigkneten und Formen von Broten und Brötchen. Die enorme Vielfalt der verschiedenen Teige und dabei das ruhige und dennoch sehr schnelle Schaffen beeindruckten Martin. Gebacken wird unter anderem mit Sauerteig. „Eigentlich ist Sauerteig einfach,“ sagt Lutz Weber und verrät „im Exkurs“ das Rezept für Hobbybäcker: Wasser und Mehl verrühren. Ab damit in den Kühlschrank und warten, bis man die Milchsäure riecht.

Präsentiert sein fertiges Brot: Dr. Helmut Martin mit Birgit Schmidt.

In erforderlichen großen Mengen einer Bäckerei mit insgesamt 14 Beschäftigten geht das natürlich nicht. Moderne Technik ist schon lange eingezogen im Betrieb, den Rosemarie und Richard Gmeiner 1993 von Vorgänger Olbrich übernommen haben. Da wurde sehr bald ein „Gärunterbrecher“ angeschafft. Dieser dient tagsüber als Kühlraum für vorbereitete Backwaren bei 0 bis minus 1 Grad, nachts hilft er als „Sauna“ mit über 30 Grad, dass der Teig schneller geht. Die verschiedenen Mehlsorten werden per LKW von der Mühle in drei große Silos neben der Backstube „geblasen“. Von dort wird es passgenau digital angefordert auf die Waage geholt.  Das spart das Hantieren mit schweren Mehlsäcken. Dennoch bleibt das Backen klassische Handwerksarbeit und erfordert nach wie vor viel Kraft beim Kneten wie Praktikant Martin erfuhr. Richard Gmeiner ist eher der Brotspezialist, seine Frau Rosemarie, ebenfalls gelernte Bäckerin, ist für die Kuchen zuständig, für die Gmeiners bekannt sind in der Region.

Normalerweise beginnt die Arbeit in der Backstube morgens um 3, für samstags startet man aber schon um 23.30 Uhr. Denn das ist der umsatzstärkste Tag. Was und wieviel gebacken wird, das ist bei aller Erfahrung oft ein wenig vom Wetter abhängig oder vom Straßenbau. So haben Gmeiners die Bauarbeiten in Hargesheim und am Roxheimer Kreisel empfindlich gespürt. Selbst das Wetter spielt eine Rolle: Im heißen Sommer sind frische heiße Backwaren weniger gefragt. „Jetzt im Herbst oder wenn dann der Frühling kommt, das ist die beste Zeit,“ sagt Richard Gmeiner.  Um auch tagsüber stets frische Brötchen anbieten zu können, haben Gmeiners auch im Laden vorne noch einen Backofen installiert. Erst sei er dagegen gewesen, gibt Richard Gmeiner zu. Aber so könne man im Halbstundentakt liefern.

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Und was schreiben Gmeiners dem wirtschaftspolitischen CDU-Sprecher auf den Wunschzettel? Weniger Bürokratie steht oben, denn das sei „der helle Wahnsinn“. Sinkende Energiepreise ebenfalls, denn von 1100 stiegen die Stromkosten in der Bäckerei auf 1700 Euro im Monat. Dabei habe man dank laufender Altverträge noch Glück gehabt, sagt Richard Gmeiner. Bei beiden Forderungen stimmt der Landtagsabgeordnete ausdrücklich zu. Eine Energiepreisbremse nur für die großen Betriebe lehnt er ab, ein Industriestrompreis hilft den kleinen mittelständischen Betrieben auch nicht – die liegen dem Wirtschaftspolitiker aber genauso am Herzen. Deutschland müsse vielmehr die Wirtschaft insgesamt ankurbeln und verhindern, dass Betriebe ins Ausland abwandern, wie es mit einer Negativbilanz bei den Investitionen von 132 Milliarden Euro im vergangenen Jahr passiert sei. Und Rheinland-Pfalz sei bei den Standortfaktoren auf den letzten Platz aller Flächenländer gesetzt worden, bedauert er.

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Was ist zu tun? Die duale Ausbildung gelte es zu fördern, die Berufsbildenden Schulen besser auszustatten, das Handwerk mit Imagekampagnen zu unterstützen. „Hier einfach auch mal meine große Wertschätzung für das Handwerk deutlich zu machen und auf dessen Bedeutung hinzuweisen, das war auch Motiv für mein „Kurzpraktikum““, fasst Martin seine Überlegungen für die Arbeitsschicht zusammen. Er habe den Eindruck, dass da ein positiver Trend erkennbar sei, sagt Martin. Aber es gebe viel Luft nach oben. Die Rahmenbedingungen gelte es zu verbessern. Ein konkreter Vorschlag Martins bei der Nachwuchsförderung: Praktika mit einem Taschengeld seitens des Landes fördern und attraktiver machen, das Bewusstsein für den Wert des Handwerks wecken. Dort wisse man schließlich am Ende des Tages, was man geschafft hat. Ein wenig Optimismus verbreiten Martin und Gmeiners im Hinblick auf die Zukunft kleiner Bäckereien. Viele haben in den vergangenen Jahren zugemacht. Aber Richard Gmeiner hofft, dass die „Kleinen“ so wie in Amerika, wieder im Kommen sind. Und Martin setzt darauf, dass die Kundschaft, die nicht auf den Cent schauen muss, die Handwerksbäcker wieder mehr wertschätzt und bei ihnen einkauft.  Wichtig sei das Handwerk vor allem auch als Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler in der Region, betont er.


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