KREIS BAD KREUZNACH / MAINZ. Der Konflikt zwischen der Kreisverwaltung Bad Kreuznach und dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration (MFFKI) spitzt sich zu. Nachdem das Ministerium am Dienstag eine Abschiebung von zwei irakischen Geschwistern gestoppt hatte, sieht sich Landrätin Bettina Dickes (CDU) nun durch eine Entscheidung des Amtsgerichts Bingen in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, während das Ministerium die Lage anders bewertet.
Landrätin: „Willkür ist gerichtlich klargestellt“
Landrätin Dickes gab am Donnerstag bekannt, dass das Amtsgericht Bingen in einem Beschluss die Rechtsauffassung der Kreisverwaltung gestützt habe. „Vorliegend haben Versäumnisse des MFKKI als zuständigem Ministerium dazu geführt, dass die Chartermaßnahme am 10.09.2025 nicht durchgeführt werden konnte“, zitiert die Kreisverwaltung aus der Gerichtsentscheidung.
Nachdem die Abschiebung in letzter Minute verhindert wurde, mussten die Geschwister aus dem Ausreisegewahrsam entlassen werden, da der nächste Abschiebezeitpunkt erst in Wochen liegt und die Haftdauer auf ein Minimum beschränkt sein muss. Laut der Kreisverwaltung hätte die Abschiebung ohne den ministeriellen Eingriff reibungslos und rechtmäßig stattfinden können.
„Ich bin erleichtert, dass das Gericht so deutliche Worte der Bestätigung der Willkür gefunden hat. Dieser Vorgang wird nun im Ministerium aufzuarbeiten sein“, kommentierte Dickes und betonte, das Gericht habe klargestellt, dass die Kreisverwaltung „völlig richtig gehandelt hat“.
Ministerium beruft sich auf Gesundheitszustand und Rechtsprechung
Das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration sieht die Situation völlig anders. Auf Nahe News Anfrage teilte das Ministerium mit, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bingen vom 11. September nicht die Weisung des Ministeriums zum Gegenstand hatte, sondern lediglich über einen Antrag des Landkreises auf Erlass von Sicherheitshaft entschieden habe.
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Ministeriums-Sprecherin Stefanie Dorsch erklärte, dass die Weisung zum Abschiebestopp auf dem sich akut verschlechternden Gesundheitszustand beider Personen innerhalb der letzten 48 Stunden basierte. Der medizinische Dienst der Gewahrsamseinrichtung in Ingelheim habe die Hinzuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zur Feststellung der Reisefähigkeit als dringend notwendig erachtet. Da eine entsprechende fachärztliche Einschätzung bis zum geplanten Start der Abschiebung nicht eingeholt werden konnte, sei eine Rückführung nicht umsetzbar gewesen.
Eine Untersuchung durch das Landeskrankenhaus Alzey am 11. September habe die Notwendigkeit des Vorgehens bestätigt. Beide Personen würden unter schwersten psychischen Erkrankungen leiden, die eine Fortführung der Haft unmöglich gemacht hätten. Das Ministerium verweist zudem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das die Rechtmäßigkeit einer solchen Vorgehensweise stütze (05.03.2024 (XIII ZB 12/22).
1. Ein Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde ist für die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Haftanordnung nicht erforderlich. (Rn.8) (Rn.14)
2. Bescheinigt der im ärztlichen Dienst der Abschiebehafteinrichtung tätige Arzt, dass es an der Reisefähigkeit des Betroffenen fehlt, kann dies einen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, begründen. In einem solchen Fall kann die Verwaltungsbehörde gehalten sein, weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des Betroffenen anzustellen, auch wenn die Bescheinigung die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 bis 4 AufenthG nicht erfüllt. (Rn.24)
Nach der BGH-Entscheidung bedeutet es konkret: „Schon ein fachlicher Hinweis des ärztlichen Dienstes der GfA, in dem aus medizinischer Sicht fundierte Zweifel an der Reisefähigkeit geäußert werden, können ausreichen, um eine Abschiebung auszusetzen. Im konkreten Fall stellte die Ärztin der GfA eine akute sich verschlechternde psychische Krisensituation fest. Auch wenn die Mitteilung formlos erfolgte, ist sie rechtlich relevant: Sie stellt einen ernstzunehmenden Anhaltspunkt für eine schwerwiegende Gesundheitsgefahr dar, der weitere Ermittlungen durch die Behörde zwingend erforderlich macht“, so das Ministerium weiter.
Abschließend teilte die Pressesprecherin mit, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bingen vom 11.09.2025, der die sofortige Aufhebung der Abschiebungshaft für die Betroffenen anordnet, dazu nicht im Widerspruch steht. „Er beruht verfahrensimmanent alleine auf dem insoweit unzutreffenden Sachvortrag des Landkreises Bad Kreuznach und wurde zu einem Zeitpunkt getroffen, an dem das Gericht die vollständigen Informationen zum Gesundheitszustand der Betroffenen noch gar nicht haben konnte“.
