KREIS BAD KREUZNACH / KREIS BIRKENFELD. Es war ein spannender Wahlabend, der sich schließlich für die CDU-Kandidatin Julia Klöckner bis in die Nacht hinzog. Denn erst um 1:31 Uhr stand für Julia Klöckner fest, dass sie dem neuen Bundestag angehört. Rückblick auf den Wahlabend: Gegen 17:15 Uhr kamen die ersten Gäste in den Sitzungssaal der Kreisverwaltung, um die Ergebnisse live zu verfolgen. Um 17:40 Uhr erschien Julia Klöckner gut gelaunt im Sitzungssaal, um mit Familienangehörigen und CDU-Anhängern einen Teil des Wahlabends gemeinsam zu verbringen. Als um 18:00 Uhr die Prognose auf der Leinwand erschien, war die Freude bereits sehr groß. Dass die Entscheidung, ob Dr. Joe Weingarten oder Julia Klöckner den Wahlkreis in Berlin vertritt, an diesem Abend bis in die Nacht andauern würde, damit hatte zu diesem Zeitpunkt niemand gerechnet. Ernste Mienen sah man nach der Prognose beim SPD-Kreisvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Michael Simon.
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Als der Abstand von Julia Klöckner von anfangs 36 Prozent auf 30,5 Prozent schrumpfte, merkte man bei den CDU-Anhängern und auch bei Julia Klöckner die Anspannung an. Sie zog sich mit ihrer Familie und einem Teil ihres Wahlkampfteams in das Büro von Landrätin Bettina Dickes zurück, um dort die neuesten Zahlen zu erhalten.
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Gegen 19:30 Uhr erschien der SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Joe Weingarten in der Verwaltung, der zu diesem Zeitpunkt für sich bereits entschieden hatte, die Wahl verloren zu haben, um Julia Klöckner zu ihrem Sieg zu gratulieren. Doch den Glückwunsch nahm sie zu diesem Zeitpunkt nicht an, was die Landrätin Bettina Dickes, Dr. Joe Weingarten mitteilte. Dieser zeigte sich sehr verwundert über das Verhalten von Klöckner. „Ich bin im Moment etwas empört, dass Frau Klöckner nicht einmal den demokratischen Anstand besitzt, eine Gratulation entgegenzunehmen. Das ist eine Verwilderung der politischen Sitten, die schon erstaunlich ist. Solches Verhalten kenne ich von AfD-Leuten. Aber anscheinend nähert man sich doch mit diesem Verhalten anderen an“, so Weingarten im Anschluss im Sitzungssaal. Im Gespräch mit Nahe News sagte Klöckner, dass zu diesem Zeitpunkt noch über 100 Ergebnisse aus den Wahlbezirken gefehlt hätten und sie deshalb keine Glückwünsche von ihm entgegengenommen habe.
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Als Dr. Weingarten im Sitzungssaal mit einigen CDU-Anhängern sprach, war natürlich auch ein Posting von ihm ein Thema, das er am späten Freitag veröffentlicht hatte. In diesem schrieb er Folgendes: „Nur mit eurer Stimme kommt Joe Weingarten in den Bundestag! Seine Konkurrentin von der CDU ist über Platz 1 der Liste schon sicher drin – also entscheidet Ihr, ob unsere Region eine starke Stimme mehr in Berlin hat.“ Diese Veröffentlichung sorgte bei der CDU für große Wut, da dies eine Falschbehauptung war und Dr. Joe Weingarten dies auch wusste, da er das Gesetz mitbeschlossen hatte. Dass man mit Listenplatz 1 nicht mehr automatisch im Bundestag vertreten ist, erfuhren die Bürger am Wahlabend. Als Dr. Weingarten auf das Posting angesprochen wurde, teilte er mit, dass er davon nichts wusste, weil es von seinen Mitarbeitern erstellt worden sei. Er habe dafür gesorgt, dass das Posting wieder gelöscht wurde. Da war es aber schon fast 24 Stunden im Netz. Vor der Löschung wurden zuerst die kritischen CDU-Kommentare entfernt, bevor das gesamte Posting letztendlich gelöscht wurde.
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Um 21:51 Uhr stand fest, dass Julia Klöckner den Wahlkreis gewonnen hatte, aber zum Feiern war es den CDU-Anhängern, die mittlerweile im „Brauwerk“ waren, nicht zumute. Denn es sollte noch bis 1:33 Uhr dauern, bis schließlich feststand, dass es für Julia Klöckner mit einem Bundestagsmandat geklappt hatte – und das nur, weil das BSW nur knapp an der 5-Prozent-Hürde gescheitert war. Nach ihrem Fernsehauftritt beim SWR in Mainz kam Julia Klöckner um 22:15 Uhr im Brauwerk an, um mit ihrem Team und Unterstützern den Abend ausklingen zu lassen.
Riesig war am Morgen ihre Freude über den Einzug in den Bundestag. Nach ihrer Ankunft in Berlin teilte sie mit, dass sie sich persönlich sehr freue, dass es mit dem Wiedereinzug geklappt habe. „Ich danke allen, die dazu beigetragen und mich unterstützt haben. Das weiß ich sehr zu schätzen. Jetzt heißt es: Wieder ran an die Arbeit. Die Regierungsbildung wird nicht einfach, aber weder Deutschland noch der Rest der Welt hat Zeit, auf langwierige Verhandlungen zu warten. Wir müssen zügig vorankommen, um für Deutschland wieder Wirtschaftswachstum zu ermöglichen und eine neue Migrationspolitik auch mit klaren Maßnahmen zu unterlegen. Im Wahlkreis kann man sich darauf verlassen: Mit Haltung und Herz und vollem Einsatz werde ich mich weiterhin für unsere Region und die Menschen hier einsetzen. Und das gilt auch explizit für diejenigen, die mich nicht gewählt haben; auch für sie bin ich als Bundestagsabgeordnete da. Das Votum der vielen AfD-Wähler nehme ich ernst, darüber darf man nicht einfach hinweggehen. Gerade die Gemeinden, in denen die AfD vorn liegt, möchte ich in nächster Zeit besuchen und das Gespräch mit den Menschen suchen. Wir müssen sie wieder zurückgewinnen, indem wir Probleme lösen, die die Bürger bedrücken und sie leider dazu bewogen haben, eine extreme Partei zu wählen.“
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Als absurd bezeichnete sie das neue Wahlrecht der Ex-Ampel: „Dass direkt gewählte Kandidaten trotz Wählervotum nicht selbstverständlich in den Bundestag einziehen, das stößt vielen vor den Kopf, die um jede Stimme gekämpft haben. Und die Wähler fühlen sich dann auch nicht ernst genommen“, so Klöckner. Erfreut zeigte sie sich über die hohe Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl: „Mit der höchsten Wahlbeteiligung seit 1990 hat Deutschland den Politikwechsel gewählt. Dies zeigt: Die Ampel wurde abgewählt, die Neuwahlen waren überfällig. Klarer Wahlsieger des Abends ist die CDU. Als einzige Partei der demokratischen Mitte hat sie zugelegt. Die CDU bleibt die starke Volkspartei und die einzige Partei, die als Integrationskraft der Mitte Wählerinnen und Wähler überzeugen kann“, teilte Klöckner am Montag mit.
Als eine schwere Niederlage für die SPD bezeichnete Dr. Joe Weingarten am Montag den Wahlausgang: „Ich bedauere das Ergebnis, weil ich meine Arbeit für die Region gerne gemacht habe und sie auch fortführen wollte. Ich bin zugleich dankbar für fünfeinhalb spannende Jahre als Abgeordneter und die vielen interessanten Menschen und Einrichtungen, die ich in dieser Zeit kennenlernen, begleiten und unterstützen durfte. Sie haben mir gezeigt: Unsere Region ist besser und stärker, als sie das im Moment selbst wahrnehmen möchten“, so Dr. Weingarten.
Die Fehler, die zur Wahlniederlage führten, sind seiner Meinung nach nicht hier im Wahlkreis, sondern in Berlin gemacht worden. Dr. Joe Weingarten sagt: „Olaf Scholz war, darauf habe ich auch vor der Wahl deutlich hingewiesen, der falsche Kanzlerkandidat. Er war den Menschen nicht mehr vermittelbar, und jeder, der es sehen wollte, konnte das auch erkennen. Aber der SPD hingen im Wahlkampf auch die Mühlsteine manch falscher Prioritäten der Ampel-Regierung um den Hals: Anstatt die sozialen Probleme der Menschen nach der Veränderung der Weltordnung durch den russischen Angriffskrieg entschlossen anzugehen und Konsequenzen für unsere Wirtschafts-, Verteidigungs- und Sozialpolitik zu ziehen, wurde weiterhin eine unter ganz anderen Bedingungen geschlossene Koalitionsvereinbarung stur abgearbeitet. Dabei wurde manchem Kleinkram eine Wertigkeit zugeschrieben, die er nie hatte: Weniger Cannabis-Freigaben und mehr gebaute Wohnungen wären mir lieber gewesen.“
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Wie Dr. Weingarten weiterhin mitteilte, hat die SPD die Bedeutung der Migrationsdebatte in ihrer politischen Führung nie wirklich wahrhaben wollen. „Ich habe davor über viele Jahre gewarnt. Aber die simple Logik, dass nur der dauerhaft hierher gehört, der sich an die Regeln hält, wurde beiseitegeschoben. Man hat sich hinter dem Dickicht von europäischen, deutschen und kommunalen Regeln versteckt, um nicht handeln zu müssen. Das Wahlergebnis ist auch dafür eine Quittung“, so Weingarten.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag werden er und seine Frau auch weiterhin einen beruflichen und persönlichen Schwerpunkt in Idar-Oberstein haben. „Wir werden dort begonnene oder angekündigte Projekte mit großer Freude fortsetzen und freuen uns auf viele persönliche Begegnungen in diesem Zusammenhang“, so Dr. Weingarten abschließend.
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